Zustandsüberwachung verhindert ungeplante Stillstände bei Transportsystemen
Transportsysteme wie Rolltreppen, Förderbänder, Hängebahnen oder Regalbediengeräte dürfen nicht ausfallen. Eine geeignete Zustandsüberwachung könnte unerwünschte Stillstände frühzeitig verhindern, herkömmliche Vibrationsanalysen sind für die sehr niedrig-frequenten Schwingungen solcher Systeme allerdings nicht geeignet. HARTING und Formsmedia GmbH haben ein neues Konzept für Condition Monitoring erarbeitet, was sich in der Praxis bereits bewährt hat.
Ungeplante Stillstände sind bei Transportsystemen ein wiederholtes und teures Ärgernis. Hängebahn-Transportsysteme in der Automobilfertigung zeigen das beispielhaft. Die Traggestelle transportieren schwere Komponenten oder ganze Karosserien. Dabei liegt die ganze Last auf Kunststoff-beschichteten Rädern. Die Beschichtung löst sich irgendwann von den Rädern und die Hängebahn bleibt mit einem Radschaden stecken. Die Fertigung wird unterbrochen und die Hängebahn muss zeitaufwendig instand gesetzt werden.
Condition Monitoring für Hängebahn-Transportsystem, auch als Retrofit
Für schnell laufende Motoren oder Getriebe haben sich Vibrationsanalysen seit etwa 20 Jahren als zuverlässiges Überwachungsinstrument bewährt. Langsam bewegende Transportsysteme wie Hängebahnen erfordern durch die schwache und sehr niedrig-frequente Vibration eine deutlich empfindlichere Schwingungserkennung im Milli-G-Bereich. Formsmedia, ein Unternehmen für Messtechnik, Impuls- und Datenanalyse, hat gemeinsam mit HARTING eine Monitoring-Lösung für diese Anforderung entwickelt:
- Hochempfindliche Sensorboxen mit MEMS-Beschleunigungssensoren erfassen kapazitiv die Bewegung des Transportsystems und detektieren die Vibrationen an den Laufrädern, sammeln Daten zum Motorstrom und zur Temperatur der Antriebe.
- Die Sensordaten werden gesammelt und über Modbus an das Edge Computing System MICA übertragen. Die MICA ist ein netzwerkfähiger und sicherer Mini-Computer mit einem Linux-basierten Betriebssystem und virtualisierten Linux-Containern.
- Für die Zustandsüberwachung von Transportsystemen nutzt die MICA eine Analysesoftware von Formsmedia, um die erfassten Sensordaten lokal vor Ort zu aggregieren, zu speichern und zu visualisieren. Die MICA ist für eine schnelle Datenauswertung direkt vor Ort geeignet, so dass keine unnötigen Daten weitergegeben werden müssen.
- Mit Hilfe der schnellen Fourier-Transformation (FFT) wird das Spektrum der Vibration analysiert und zusätzlich nicht-harmonische Schwingungen ausgewertet.
- Das Condition-Monitoring-System lässt sich für Transportsysteme mit langsam beweglichen Komponenten auch als Retrofit nachrüsten.
- Für die Zustandsüberwachung mehrerer Systeme und erweiterte Funktionalitäten wie Predictive Maintenance werden die Daten an übergeordnete SCADA-Leitsysteme oder Cloud-basierte IoT-Plattformen übertragen
Zustandsüberwachung für schwierige Umfeldbedingungen
Die Zustandsüberwachung von Transportsystemen muss häufig unter schwierigen Umfeldbedingungen eingerichtet werden. Es fehlt an Platz, es sind größere Entfernungen zu überbrücken und es treten Staub, Wärme oder Feuchtigkeit auf. Durch die Schutzart IP 65/67 sind die Sensorboxen und die MICA auch im rauen Umfeld einsetzbar und außerdem gegen hohe EMV-Belastungen geschützt.
Alle örtlichen Anforderungen werden in einem Proof of Concept detailliert erfasst, um die Sensorbox und die MICA für die Installation vorzukonfigurieren. Überprüft wird auch die passende mechanische Anbringung der Sensoren, damit die schwachen Vibrationen zuverlässig erfasst werden. Mit einem Modbus Checkout-Programm lassen sich alle voreingestellten Funktionen bei der Inbetriebnahme vor Ort nochmals überprüfen und die richtigen Messbereiche absichern. So können Fehlalarme weitgehend ausgeschlossen werden.
Die vorverarbeiteten Daten können je nach Umfeld drahtlos oder drahtgebunden über die Gateway-Funktionalität der MICA in Austauschformaten wie MQTT oder OPC UA an übergeordnete IT-Systeme übertragen werden. Für das Hängebahn-Transportsystem wurde die Wireless-Version der MICA verwendet, um die Sensorwerte in jedem mobilen Transportgestell direkt auszuwerten und per WLAN übertragen zu können.
Frühzeitige Warnmeldung verhindert den Anlagenstillstand
Für die Auswertung der Sensordaten werden Schwellwerte festgelegt, die der Betriebstechnik frühzeitig eine Meldung über den Wartungsbedarf geben. In der Praxis hat es sich als hilfreich erwiesen, wenn vor Ort ein Monitor installiert wird, der per Modbus RTU (Remote Terminal Unit) mit der MICA verbunden ist. Auf dem Monitor werden die aktuellen Kennwerte und kritische Systemzustände optisch in Form einer Ampelfunktion angezeigt. Zusätzlich erhalten ausgewählte Empfänger eine Alarmmeldung, wenn Schwellwerte überschritten werden. Ergänzend haben Mitarbeiter vor Ort die Möglichkeit, per Touch-Button Ereignisse wie Pausen, Störungen oder fehlendes Material an die MICA senden. So können die Sensorwerte mit echten Betriebsereignissen verknüpft werden.
Die Condition-Monitoring-Lösung kann durch Machine Learning zu Predictive Maintenance erweitert werden, um zeitliche Voraussagen über den nächsten Wartungseinsatz machen zu können. Die dafür notwendige Analyse historischer und aktueller Daten findet in der Regel mit Unterstützung von Cloud-Services statt. Hier werden Machine-Learning-Algorithmen entwickelt und mit den gesammelten Daten über die Vibrationen der Laufräder, den Schwankungen im Motorstrom sowie der Temperaturentwicklung der Antriebe trainiert. Predictive Maintenance ist damit in der Lage, schleichende Veränderungen in den Sensordaten als Anomalien zu erkennen und Schlussfolgerungen über den aktuellen und Voraussagen über den künftigen Zustand zu treffen.
Bei Themen wie Predictive Maintenance empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit spezialisierten IT-Systemhäusern, die Erfahrung im Bereich Datenanalyse haben und Algorithmen, Regeln und Dashboards individuell für den Bedarf des Anwenders entwickeln und auch die Integration in bestehende Leit- oder ERP-Systeme übernehmen. HARTING hat dafür gemeinsam mit IT-Unternehmen das MICA.network gegründet.
Schnelle Amortisation der Condition-Monitoring-Lösung
Die Einführung von Condition Monitoring rechnet sich relativ schnell. Die Planungs-, System- und Installationskosten sind durch das standardisierte Condition-Monitoring-Konzept gering und der Nutzen für die Anlagenbetreiber hoch. So lässt sich der Verschleiß von kritischen Bauteilen frühzeitig erkennen und ein Ausfall des Transportsystems vermeiden. Dadurch erhöhen sich die Anlagenverfügbarkeit und die Gesamtanlageneffektivität (OEE). Weniger Reparaturen und die bedarfsgerechte Wartung verringern außerdem die Instandhaltungskosten. Schließlich verbessert sich der Service für die betroffenen Kunden / Einsatzbereiche.
Ein weiterer Effekt von Condition Monitoring zeigt sich beim Retrofit. Durch die digitale Überwachung werden Altanlagen auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Die aufgrund des Product Lifecycle sonst häufigeren Wartungszyklen können auf den tatsächlichen Bedarf reduziert und die Nutzungszeit der Anlage verlängert werden.